Fregatte Bremen

First Of Class - First Class

Die Auswahl von Haupt- und Marschantrieb


Auswahl Hauptantrieb

Mit der Gasturbine LM 2500 von General Elektrik als Hauptantrieb für die Fregatte 122 entschied der damals amtierende Verteidigungsminister Leber am 6. Juni 1977 das hartnäckige Tauziehen um diesen Auftrag zwischen den Herstellerkonzernen General Electric (GE) und Rolls-Royce (RR). Gleichzeitig beendete damit der Minister, der sich die Entscheidung wegen bündnis- und wirtschaftspolitischer Auswirkungen ausdrücklich vorbehalten hatte, die Auseinandersetzungen im eigenen Hause, die letztendlich das Einschalten der Leitung erforderten.
Zwei unterschiedliche Positionen zur Auswahl der Gasturbine hatten sich gebildet. Während sich die eine Seite aus Gründen der Kostenlimitierung in der Beschaffung und der Standardisierung mit den Nordseeanrainern Großbritannien, Niederlande, Frankreich und Belgien mit der Gasturbine OLYMPUS TM3B von RR begnügte, stufte die andere Seite die technische und - aufgrund preisreduzierter Angebote - wirtschaftliche Überlegenheit der LM 2500 höher ein, als die Vorteile der Gemeinsamkeit. Finanziellen Vorteilen der robusten OLYMPUS-Anlage bei den Investitionskosten standen Vorteile der LM 2500 in der Nutzungsphase gegenüber (modernere Technik, umfassendere Garantieleistungen und deutlich geringerer Kraftstoffverbrauch).
Dabei hatte Ende 1974/Anfang 1975 zunächst Einvernehmen in der Arbeitsgruppe (AG) des Systembeauftragten in der Auswahl der OPYMPUS TM3B bestanden. Grundlage der damaligen Entscheidungsfindung war die Weisung des Ministers, engste Anlehnung an die niederländische Standardfregatte zu suchen.
Die AG trug diesen Standardisierungsbemühungen Rechnung under bewusster Inkaufnahme höherer Betriebskosten, Gewichte und höherer Raumbedarf der OLYMUS-Anlage. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung der LM2500 noch nicht abgeschlossen und die bis dahin bekanntgewordenen Beschaffungskosten zu hoch.
Die nachfolgende Zeit arbeitete jedoch für GE, denn die Entwicklung der LM2500 konnte inzwischen so erfolgreich abgeschlossen werden, dass sich die US-Navy aufgrund der erzielten Erprobungsergebnisse entschloss, diese Gasturbine in ihre neuen Fregatten und Zerstörer einzubauen. Auch Italien (Fiat-Lizenzbau für die Fregatten der Klassen LUPO und MAESTRALE) und Dänemark (FK-Korvetten der NIELS JuEL-Klasse) entschieden sich für den Einbau der LM2500.
Die damit erzielte hohe Bestellzahl von insgesamt ca. 300 Anlagen ermöglichte GE, die Preise erheblich zu senken. Je näher der Termin der letztmöglichen Entscheidung herannahte - um den planmäßigen Ablauf der Definitionsphase der Fregatte 122 nicht zu beeinträchtigen, mußten mittlerweile die beiden Generalunternehmer (GU)-Bewerbe Blohm & Voss sowie Bremer Vulkan mit einer Paralleldefinition der Antriebsanlage beauftragt werden - desto unbekümmerter versah der GE alle an der Entscheidungsfindung beteiligten Stellen und Personen in immer kürzeren Abständen mit immer günstiger werdenden Angeboten.

Selbstverständlich blieb die niederländische Seite während dieser Zeit nicht untätig und versuchte auf höchster Ebene zu erreichen, dass es bei der 1974 getroffenen Entscheidung blieb, um möglichst günstige Konditionen für die eigenen Bestellungen bei RR zu erzielen, ein durchaus verständliches Unterfangen. Obwohl im Regierungsvertrag mit den Niederländern vom 17. Juli 1975 für die gemeinsame Definition eine größtmögliche Standardisierung vereinbart worden war, verstand es die deutsche Seite, sich stets die Entscheidung über die Antriebsanlage offenzuhalten.
Nach zahlreichen vorangegangenen Besprechungen wurden im November/Dezember 1976 letzte gemeinsame Entscheidungen in der AG unternommen, doch noch die unterschiedlichen Auffassungen unter einen Hut zu bringen. Da auch diese Bemühungen scheiterten, mußten die Leitung und damit dem Minister das letzte Wort überlassen werden.

Auswahl Marschantrieb

Aus Standardisierungsgründen war auch hier anfangs geplant, dem niederländischen Konzept der Standardfregatten die Gasturbine TYNE RM1A für den Marschantrieb der Fregatte 122 zu übernehmen. Für die TYNE sprach die Standardisierung mit den Niederländern, für eine eigene abweichende Lösung - Dieselmotor anstelle der Gasturbine - die größere Wirtschaftlichkeit des Dieselmotors. Damit entstand ein Konflikt zwischen der Aufgabe, größtmögliche Standardisierung mit den Niederländern zu erzielen und dem Aspekt der Kostenwirksamkeit. Der Zwang, Prioritäten festzulegen, führte zu dem Entschluss, der Wirtschaftlichkeit vor der Standardisierung Vorrang einzuräumen.
Die Entscheidung der AG des Systembeauftragten Anfang 1975, den Dieselmotor 16V956TB91 der Firma MTU für den Marschantrieb auszuwählen, wurde von den Fachbereichen als ein erster Schritt in Richtung technische und wirtschaftliche Ausgewogenheit begrüßt. Logische Vorteile ergaben sich aus der Tatsache, daß dieser Dieselmotor mit dem Waffensystem Schnellboot Klasse 143 bereits in die Marine eingeführt worden war.
Mit dieser Auswahl war allerdings die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der AG noch keineswegs beendet. Untersuchungen zeigten, daß mit dem ausgewählten 16-Zyl.-Dieselmotor die gem. Taktischer Forderung (TaF) geforderte Marschgeschwindigkeit unter Einsatzbedingungen nicht ganz erreicht werden konnte. Gleiche Untersuchungen ergaben, daß TaF-Forderungen nur mit dem von MTU neukonzipierten Dieselmotor 20V956TB92 zu erfüllen war. Dieser 20-Zyl.-Dieselmotor hatte zwar die gewünschte Leistungsrserve, stand jedoch zu diesem Zeitpunkt noch in der Firmenerprobung und war daher nicht verfügbar. So blieb zunächst noch in der AG die Auswahl des 16-Zyl.-Dieselmotorsunumstritten.
Am 28./29. Juli stellte MTU in Friedrichshafen der Öffentlichkeit den neuen 20-Zyl.-Dieselmotor vor. Nach dieser Präsentation mehrten sich bald die Stimmen aus den Fachbereichen, den 20-Zyl.-Dieselmotor in die Entscheidungsfíndung einzubeziehen.Das BWB sah sich veranöaßt, Blohm & Voss mit dem 20-Zyl.-Dieselmotor und Bremer Vulkan mit dem 16-Zyl.-Dieselmotor definieren zu lassen. Trotzdem blieb die AG Ende 76/Anfang 77 bei der bisherigen Entscheidung, zumal sich der logische und operative Führungsbereich gegen eine Änderung der Auswahlentscheidung aussprach.
Nach Auswertung erster vorliegender Erfahrungen mit dem 16-Zyl.-Schnellboot-Dieselmotor setzte sich der Fachbereich BWB wegen der erwarteten höheren Betriebssicherheit zunehmend für den 20-Zyl.-Dieselmotor ein. Auf Vorschlag des Rüstungsbereichs beschloss die AG im April 1977, eine vergleichbare Bewertung durchführen zu lassen. Diese Bewertung ergab neben der Erkenntnis der zu geringen Dauermarschgeschwindigkeit, daß bei der Verwendung des 16-Zyl.-Dieselmotors das Manövrierverhalten für ein Schiff dieser Klasse unzureichend ist. Durch den 20-Zyl.-Dieselmotor verringert sich die Beschleunigungszeit und der Anfahrweg erheblich. Ein weiteres wichtiges Argument, das gegen den 16-Zy.-Dieselmotor sprach, war die Feststellung, daß dieser Dieselmotor der Baureihe TB 91 als auslaufendes Modell in absehbarer Zeit nicht mehr serienmäßig hergestellt wird, während der 20-Zyl.-Dieselmotor der Baureihe TB 92 auf für ein eventuell später anschließendes Los Fregatte 122 verfügbar ist.
Aufgrund dieser Fakten entschied die AG im Juni 1977 - trotz der Mehrkosten - anstelle des 16-Zyl.-Dieselmotors den 20-Zyl.-Dieselmotor auf der Fregatte 122 zu installieren.
Ein Beitrag von Kapitänleutnant Werner Kriscia
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